Was dem Italiener seine Pizza, dem Wiener sein Schnitzel, dem Schwaben seine Spätzle, das ist dem Südtiroler sein Knödel. Als Armen-Brot und Recycling-Gericht entstanden, hat der Knödel längst Einzug in die Gourmet-Küche gefunden. Im Gespräch mit Helmut Bachmann, Koch-Lehrer und erfolgreicher Kochbuch-Autor.
Herr Bachmann, ist der Knödel eine Tiroler Erfindung? Was weiß man zur Geschichte dieser runden Köstlichkeit?
Helmut Bachmann: Eine Tiroler Erfindung ist der Knödel wohl eher nicht, da er auch im restlichen Österreich und Deutschland stark verbreitet ist. Hintergrund zur Entstehung des Knödels in Tirol dürfte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit das karge Bergleben gewesen sein. Als Selbstversorger verarbeiteten die Bauern das, was auf dem Hof vorrätig war. Dazu zählten meist Brot, Mehl, Milch, Kräuter und Eier. Auch Speck und Käse waren mitunter vorhanden. Vermutlich hat man irgendwann Reste dieser Nahrungsmittel zu einem Kloß geformt und in Wasser gekocht – ein günstiges Recycling-Gericht sozusagen mit wenigen Zutaten und hohem Sättigungswert, ideal für das harte Leben am Berg.
Man kennt heute unzählige Knödel-Varianten ...
Je nach geografischer Lage haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Knödel entwickelt. Im Eisacktal war es beispielsweise der „schwarzplentene“ Knödel (Schwarzpolenta = grobes Buchweizenmehl) aufgrund des hier gedeihenden Buchweizens, der Getreide-Basis dieses Knödels. In der Brixner und Feldthurnser Gegend wird der „Schwarzplentene“ noch heute gern in kalter Milch gegessen, in anderen Orten dagegen wird traditionell eher Kraut dazu serviert.
Ein beliebter Knödel ist die Kasnocke, also die Käsenocke. Aus welchem Grund ist man hier von der runden Knödelform abgewichen?
Das hängt wohl mit dem Werkzeug zusammen, mit dem der Knödel geformt wird. Mangels einer Knödelkelle kann man nämlich auch einen großen Löffel verwenden, der anstelle der runden eine Nockenform ergibt. Die Kasnocke ist in der Sterzinger Gegend stark verwurzelt.
Als besondere Spezialität gilt auch der Leberknödel ...
Oh ja, der Leberknödel war in vergangenen Zeiten ein wahres Festmahl und wurde nur an hohen Feiertagen wie Weihnachten gekocht. Im Dorfgasthaus fand man den Leberknödel hingegen ganzjährig auf der Speisekarte. Der Metzger war meist in der Nähe, und Rindsleber fand ansonsten kaum Absatz, sodass sie im Dorfgasthaus zu Leberknödeln verarbeitet wurde.
Der Knödel ist also ein Alltagsgericht und trotzdem in der gehobenen Gastronomie zu Hause. Wie passt das zusammen?
Nun, in der gehobenen Gastronomie wird der traditionelle Knödel meist modern interpretiert, zum Beispiel als Knödelsoufflé oder -auflauf. Die Basis ist meist dieselbe, etwa beim „schwarzplentenen“ Knödel, der dann aber mit speziellem Bergkäse verfeinert wird. Man kann ihn auf einen feinen Kräuterschaum betten, mit Schnittlauchöl, besonderen Saucen oder Cremes verfeinern oder ihm eine geröstete Kruste verpassen. Der Kreativität sind – wie bei allen Knödeln – keine Grenzen gesetzt. Der Knödel ist sozusagen eine faszinierende kulinarische Spielwiese.
Steht Knödel auch auf Ihrer privaten Speisekarte?
Ich bin ein ausgesprochener Knödel-Fan, insbesondere, wenn sie von meiner Frau zubereitet sind. Einen schönen Speckknödel mit grünem Salat und frischen Tomaten ziehe ich jeder Rindstagliata vor.
Was ist das Geheimnis eines perfekten Knödels?
Zunächst muss die Knödelmasse frisch zubereitet sein und die richtige Festigkeit haben. Der Knödel sollte gleichmäßig geformt und außen schön glatt sein. Das Wasser muss auf den Punkt kochen. Nach Zugabe der Knödel darf es nicht unter den Siedepunkt abkühlen, sondern muss dann 12 bis 13 Minuten – je nach Größe des Knödels – sieden, also nicht mehr sprudelnd kochen. Nachdem er fertig gegart ist, wird der Knödel sofort serviert. Liegt er 10 Minuten im Wasser, ist er natürlich trotzdem essbar, aber eben kein perfekter Knödel mehr. Mancherorts werden Knödel auch gedämpft. Das kann man machen, mein Geschmack ist es aber nicht ...
Es gibt noch eine Reihe süßer Knödel, die bei uns Tradition haben.
Richtig, auch süße Knödel sind auf den Bauernhöfen entstanden, etwa Zwetschken- oder Marillenknödel. Klassisch werden die Früchte in einen Kartoffelteig gehüllt, sehr gut schmeckt aber auch die Variante mit Topfen oder Semmel-Topfenteig. Wie bei den normalen Knödeln liegt das Geheimnis in der frischen Zubereitung: Füllen – kochen – servieren!
REZEPT SCHWARZPOLENTA-KNÖDEL
Zutaten (für 4 Personen):
+ 120 g schnittfestes Weißbrot oder Knödelbrot
+ 80 g Lauch, in feine Würfel geschnitten
+ 1 Knoblauchzehe, fein gehackt
+ 100 g Bauchspeck, in kleine Würfel geschnitten
+ 50 g Butter
+ 100 ml Milch oder Wasser
+ 2 Eier
+ 1 EL Petersilie fein geschnitten
+ 100 g Schwarzpolentamehl (grobes Buchweizenmehl)
+ Salz
Zubereitung:
Das Brot in kleine Würfel schneiden; Lauchwürfel, Knoblauch und Speck in Butter dünsten und zum Brot geben; Milch oder Wasser, Eier, Petersilie, Schwarzpolentamehl und Salz zum Brot geben und alles gut vermengen. Die Knödelmasse etwa 30 Minuten zugedeckt kühl stellen. Aus der Mas- se Knödel formen und in kochendem Salzwasser halb zugedeckt sieden.
Tipp: Servieren Sie die Schwarzpolentaknödel in einer Fleischsuppe, zu Gulasch oder mit Rübenkraut.
ZUR PERSON
Helmut Bachmann ist Koch aus tiefster Leidenschaft. Diese Leidenschaft gibt er seit vielen Jahren als Lehrkraft an der Fachschule für das Gast- und Nahrungsmittel „Emma Hellenstainer“ in Brixen an seine Schüler weiter. Mit Erfolg: Einige seiner ehemaligen Schüler leiten heute renommierte Küchen im In- und Ausland, selbst sterngekrönte Köche sind seiner Schule entsprungen. Gemeinsam mit Heinrich Gasteiger und Gerhard Wieser hat Bachmann unzählige Kochbücher geschrieben, darunter das Standardwerk der Südtiroler Küche „So kocht Südtirol“.
BUCHTIPP: „So genießt Südtirol – 33x Knödel“ 80 Seiten ISBN: 978-88-8266-533-3 Athesia-Verlag
Text: Oskar Zingerle
Bilder: Ratschings Tourismus / Manuel Kottersteger, IDM Südtirol / Frieder Blickle